09.03.2011

Schnellimpfung to go

The Vaccines
07.03.2011 im Comet-Club/Berlin
Ein Konzertbericht

Eine Impfung kurz und schmerzlos zu überstehen, darüber freut sich jeder Impfling. Von einem Konzertabend habe ich allerdings ganz andere Vorstellungen. Zumal, wenn sich eine Indie-Rockband aus England angekündigt hat, die sich mit einem Konzert im Comet Club dem Berliner Publikum vorstellen möchte. Die im Juni 2010 gegründete Band The Vaccines aus London hat es bei den BBC-Hörern unter die Top 5 der vielversprechendsten Newcomer-Musiker geschafft, denen 2011 der Durchbruch gelingen könnte. Und das, nach nur einer veröffentlichten Single im November 2010. Die ging aber so gut ins Ohr, dass wieder mal die Hypemaschine angeworfen wurde und dem kurz vor der Veröffentlichung stehenden Album entgegenfiebert wird. Die Erwartungen sind also dementsprechend hoch an diesem Abend und das Konzert ist ausverkauft, obwohl mir der ja eher kleine Comet-Club nicht sonderlich voll erscheint. Das gut gelaunte Publikum ist bunt gemischt, die Bandbreite der Besucher reicht vom typischen Indiemusikszenegänger,  der kein Konzert auslässt, tanzfreudigen jungen Frauen und bebrillten Mitvierzigern, dazwischen natürlich auch ein paar junge Engländer und Spanier.
Als Vorband steht die Rockband 206 (@Myspace) aus Leipzig auf der Bühne. Die überraschte mit geradlinig-krachigem Garagenrockstücken von ihrem bald erscheinenden Album “Republik der Heiserkeit” und sangen deutsche Texte mit dringlicher Botschaft, was auch wirklich gut rüber kam. Danach kamen die vier Mitglieder von The Vaccines nach einer 15 minütigen Umbaupause ohne viele Worte, die dann aber auf deutsch, auf die Bühne. Sänger Justin Young musterte das Publikum unentwegt mit bemüht starrem Blick, der dann aber doch die ganze Zeit ins Nichts zu blicken schien. Mich erinnerte dieser Gesichtsausdruck an eine Fotoserie mit Kindern, die beim Fernsehgucken fotografiert wurden, alle hatten glanzlose, leere Augen, die völlig apathisch auf die Mattscheibe blickten. Nach etwa vier Songs machte dieser merkwürdige Blick meiner Begleitung immer mehr Angst und ich dachte mir, naja, der wird uns bestimmt gleich was erzählen, um sich locker zu machen. Es folgte aber nur die kurze Ansage, dass man das erste Mal in Berlin ein Konzert gäbe.  Und das war dann auch die letzte Ansprache an das Publikum und Young hielt den schon benannten Augenblick bis Konzertende durch! Dabei sang er atemlos mit viel Hall auf der Stimme zu den sehr kurzen Stücke der Band. Musikalisches Stil-Vorbild von The Vaccines sind die frühen Ramones, irgendwie auch ein bisschen The Jesus & Mary Chain und ganz viel Surferrock der 60er Jahre, gepaart mit hymnischer Gitarrengbegleitung. Neben den aus dem Internet und Radio bekannten Liedern, die durchaus Ohrwurmcharakter haben wie das oldschool-rockige, sich mit vielen "Hey! Hey! Heys!" in den Gehörgang bohrende 90 Sekunden-Stück "Wreckin' Bar (Ra Ra Ra)" - und zu Körperzuckungen anregten, kamen mir die restlichen acht Songs eher uninspiriert, redundant und überraschungsarm vor.

 
Schon nach gut einer halben Stunde gingen alle Bandmitglieder ohne sich grossartig zu verabschieden und ohne eine Zugabe zu spielen so zügig von der Bühne, als ob der Bandbus vor der Tür stünde und huppend die baldige Abfahrt ankündigt. Das Publikum, merklich perplex, fragte sich, ob das alles gewesen sein soll, aber protestierte nicht weiter. Das waren sie nun, die Überflieger aus UK. Kurz und schmerzlos wollten sie uns mit ihren elf kurzen Songs impfen, aber wogegen eigentlich? Vielleicht, dass Rock’n’Roll keine Attitüde benötigt und auch nicht die Anerkennung des Publikums? Dass der Gitarrenrock aber genau davon zehrt zeigen uns viele andere Indie-Rock-Bands, die bei Konzerten auch mehr Spass machen. Für ihre Liveperformance gibt es von mir für The Vaccines also keine Impfempfehlung! "What Did You Expect From The Vaccines?" fragt der Titel des am 21.03.2011 erscheinenen Debüt-Albums. Eindeutig mehr!
Noch am Rande: Nach diesem enttäuschenden Blitzauftritt tranken wir noch ein Bier und quatschten. Aber keine halbe Stunde später gingen die grellen Neondeckenlichter an und wir und weitere 25 Leute im Raum wurden sehr entschieden zum baldigen Verlassen des Clubs aufgefordert. Das zweite Mal war ich nun perplex an diesem Abend. Dieser ganze Konzertabend stand wohl unter dem Motto: "Bitte nicht stehenbleiben, gehen sie weiter!". Dass sich sowohl die Band, als auch die Veranstalter so kurz angebunden und publikumsscheu zeigten, hatte ich nicht erwartet und empfand es als ärgerlich.

Der Auftritt in Paris hat dem Indie-Quartett sichtlich mehr gefallen

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

"Kurz und schmerzlos" ging auch mir durch den Kopf als ich ging. Ich hatte mich eigentlich auf einen schönen Konzertabend gefreut aber der Kurzauftritt war für mich wirklich enttäuschend. Die Vorband hat (gefühlt?) länger gespielt als der Hauptact. So schnell geh ich auf kein Vaccines Konzert mehr.